
Am 19. Januar 2025 beginnt in Chemnitz das mit Spannung erwartete Jahr der Europäischen Kulturhauptstadt. Der Einlass zur Open-Air-Show am Karl-Marx-Monument startet um 17 Uhr, während das eigentliche Programm um 19 Uhr beginnt. Aufgrund der zahlreichen Menschen werden am Eingang Sicherheitskontrollen durchgeführt. Das Mitführen von Glasflaschen, Waffen sowie großen Schirmen ist untersagt, und Taschen dürfen nicht größer als DIN A4 sein. Größere Gepäckstücke können an verschiedenen Gepäckstellen in der Stadt hinterlegt werden. Die Polizeipräsenz in Chemnitz wird spürbar erhöht, um insbesondere den Bereichen, in denen Demonstrationen geplant sind, gerecht zu werden.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth hebt die Relevanz der Kulturhauptstadt Chemnitz für europäische Werte, Demokratie und Gesellschaftsdialog hervor. Roth zeigt sich optimistisch, dass Chemnitz von dem Jahr profitieren wird, in dem unter dem Motto „C the Unseen“ zahlreiche Projekte zur Förderung von Beteiligung und Zusammenhalt durchgeführt werden. Der Chemnitzer Oberbürgermeister, Sven Schulze, sieht in der Veranstaltung „eine neue Seite im Geschichtsbuch von Chemnitz“. Sein Kollege Ingo Seifert aus Schneeberg vergleicht die Kulturhauptstadt mit dem mittelalterlichen „Berggeschrey“, welches die Entdeckung eines kulturellen Schatzes symbolisiert.
Politische Dimension und gesellschaftliche Herausforderungen
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigt Chemnitz bei der Eröffnung und betont, dass die Stadt „Herausforderungen gemeistert“ und „Umbrüche erlebt“ hat. Die mehrfache Umbenennung von Karl-Marx-Stadt zu Chemnitz sei ein Zeichen für Wandel. Steinmeier erinnert zudem an die „bitteren Erfahrungen mit Extremismus“, insbesondere die rechtsextremen Ausschreitungen im Jahr 2018. Er fordert ein „unübersehbares Signal“ für ein „positives Miteinander“ in und aus Chemnitz.
Die Involvierung von rechtsextremen Gruppierungen bleibt allerdings ein kritisches Thema. Die rechtsextreme Partei „Freie Sachsen“ hat eine Demonstration gegen die Eröffnung der Kulturhauptstadt angekündigt, was durch mehrere angekündigte Gegendemos begleitet wird. Der Deutsche Gewerkschaftsbund ruft zur Teilnahme an einem Gegenprotest auf, um ein Zeichen gegen den Rechtsextremismus zu setzen. Die Polizei hat zu diesem Anlass mehr als 1.000 Einsatzkräfte mobilisiert, um die Sicherheit der Veranstaltung zu gewährleisten. Teilnehmerzahlen bei den Demonstrationen werden auf „mehrere Hundert auf beiden Seiten“ geschätzt, wobei die Proteste bis zum späten Nachmittag weitgehend friedlich verlaufen, trotz einer Bombendrohung gegen die Stadthalle.
Kulturelles Programm und lokale Beteiligungen
In Chemnitz und den umliegenden Kommunen werden im Rahmen der Kulturhauptstadt über 150 Projekte und mehr als 1.000 Veranstaltungen organisiert. Das große Straßenfest zur Eröffnung wird von Künstlern wie Bosse und Fritz Kalkbrenner begleitet, und die Stadt erwartet zehntausende Besucher. Oberbürgermeister Schulze beschreibt Chemnitz als Stadt mit „unübersehbaren Brüchen und Narben“, die sich immer wieder neu erfunden hat. Der Programmchef der Kulturhauptstadt, Stefan Schmidtke, arbeitet mit einer Vielzahl von Trägervereinen und individuellen Partnern zusammen, wobei Tausende Menschen aktiv an der Umsetzung des Projekts unterstützen.
Es gibt jedoch auch kritische Stimmen in der Stadt. Anna Schramm von der Beratungsstelle „Support“ weist auf die Bedrohungen für marginalisierte Gruppen hin und bittet die Stadt, deren Ängste ernst zu nehmen. Erinnerungen an die rechtsextremen Ausschreitungen von 2018 sind den Bürgern präsentes Anliegen, und es besteht Befürchtung, dass solche Ereignisse 2025 wiederholt werden könnten. Diskussionen über Strategien zur Bekämpfung rechtsextremer Aktivitäten und das geplante NSU-Dokumentationszentrum stehen hoch im Kurs.
Wie sich Chemnitz weiter entwickeln wird, zeigt sich im Laufe des Jahres. Das Kulturhauptstadtprojekt könnte der Stadt die Möglichkeit bieten, langfristige Strukturen und ein positives Bild nach außen zu schaffen – unter der Voraussetzung, dass die bereitgestellten Sicherheitskonzepte und die politischen Spannungen gelöst werden können.