
Die Umstellung auf Rüstungsproduktion hat in Deutschland eine neue Dimension erreicht. Die Übernahme der Alstom-Fabrik in Görlitz durch den Rüstungskonzern KNDS ist daher besonders bemerkenswert. In der vergangenen Zeit stellte die Fabrik vor allem Doppelstockwagen und Straßenbahnen her. Nun plant KNDS, dort Kampfpanzern wie Leopard 2, Schützenpanzer Puma und Radpanzer GTK-Boxer zu produzieren. Die Entscheidung betrifft etwa die Hälfte der 700 Beschäftigten, die weiterhin am Standort beschäftigt werden sollen. Dies wurde während einer offiziellen Verkündung am 5. Februar in Anwesenheit von Bundeskanzler Olaf Scholz und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer bekanntgegeben. Infosperber berichtet, dass die erste Fertigung von Bauteilen in diesem Jahr beginnen soll.
Die Umstellung auf eine militärische Produktion in Görlitz musste zunächst die Schließung des Alstom-Werks abwenden. Stattdessen wird ab sofort die Produktion von Panzerteilen Priorität haben. Laut Tagesschau werden schätzungsweise 350 bis 400 Alstom-Mitarbeitende bei KNDS übernommen. Zudem wurden allen Mitarbeitern an anderen KNDS-Standorten Arbeitsangebote unterbreitet. Bis 2027 soll der komplette Übergang der Produktionsanlagen abgeschlossen sein.
Wirtschaftliche Auswirkungen
Die Umstellung auf die militärische Fertigung in Görlitz fällt in einen Kontext, in dem die Verteidigungsausgaben in Europa stark ansteigen. Historisch betrachtet hatte die deutsche Automobilindustrie bereits in vorangegangenen Konflikten ihre Fertigung auf Rüstungsgüter umgestellt, wie beispielsweise Ferdinand Porsche und Daimler-Benz. Ein Anstieg der Verteidigungsausgaben könnte, gemäß dem Wirtschaftsforschungsinstitut Kiel, ein Wirtschaftswachstum zwischen 0,9 und 1,5 Prozent pro Jahr generieren, wenn sie von 2 Prozent auf 3,5 Prozent steigen. EY hebt hervor, dass Waffeninvestitionen zu volkswirtschaftlichen Impulsen führen könnten.
Ein grundlegender Wandel in der Rüstungsproduktion hat auch positive Spillover-Effekte in andere Industrien bewirkt. Europäische NATO-Länder investieren aktuell jährlich rund 72 Milliarden Euro in den Rüstungssektor und schaffen dabei 680.000 Arbeitsplätze. Eine Erhöhung dieser Ausgaben auf 3 Prozent des BIP könnte erhebliche wirtschaftliche Effekte nach sich ziehen. Schätzungen zufolge könnten dadurch zusätzlich 660.000 neue Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert werden. Unternehmen wie Rheinmetall, Deutschlands größter Rüstungskonzern, haben bereits von einem Umsatzwachstum von 36 Prozent profitiert, was der Branche eine optimistische Perspektive verleiht.
Die Rückführung ziviler Kapazitäten in die Rüstungsproduktion, unterstützt durch staatliche Investitionen, ist Teil einer breiteren Strategie. Politische und wirtschaftliche Aufrufe zur Stärkung der Verteidigungskapazitäten stehen an der Tagesordnung, insbesondere vor dem Hintergrund globaler Unsicherheiten und steigender geopolitischer Spannungen.